Lena Schilling und Thomas Waitz im Interview
Tom, du bist im Gegensatz zu Lena quasi schon ein alter Hase. Warum ist das EU-Parlament immer noch reizvoll für dich?
Tom: Weil dort die Gesetze beschlossen werden, die unser Leben bestimmen. 80 Prozent der Gesetze, die in Österreich gelten, werden in Brüssel beschlossen. Da geht’s drum, wie unsere Lebensmittel produziert werden, die in den Supermarktregalen landen, wie wir unsere Demokratie und Journalist:innen vor Angriffen schützen können, aber auch um die Frage, wie man Flüssen wieder Platz geben, Moore wieder vernässen und klimaresistente Wälder aufforsten kann. Da ist Brüssel auf einmal ganz nah an Österreich und auch Gratkorn dran. Und es ist auch reizvoll, weil man im Europaparlament eben an konkreten Verbesserungen für die Menschen, für Tierschutz und das Klima, die Landwirtschaft und die EU-Erweiterung arbeiten kann. Ich glaube, das wird nie fad. Und gerade als alter Hase ist mir eine intakte Natur natürlich ein Anliegen.
Was sind eure inhaltlichen Schwerpunkte für die kommenden Wochen?
Lena: Klimaschutz ist natürlich das zentrale Thema. Die Klimakrise ist die größte Bedrohung unserer Zeit ist. Und wir sind es den nachfolgenden Generationen einfach schuldig, einen intakten Planeten zu hinterlassen. Auf der anderen Seite geht es darum, dass wir die Errungenschaften und Freiheiten der liberalen Demokratie verteidigen. Die werden aktuell nämlich mehrfach angegriffen. Das muss man sich mal vorstellen: Ein Despot wie Putin startet einen Krieg mitten in Europa und marschiert einfach in ein Nachbarland ein. Ich hätte so etwas nicht mehr für möglich gehalten. Auf der anderen Seite werden unsere Demokratie und unsere europäischen Werte auch von innen bedroht. Denn aktuell erleben die Rechtsextremen wie die FPÖ oder die AfD in Deutschland einen Aufschwung. Sie machen sich die Ängste der Menschen zu Nutze. Dabei geht es den Rechtsextremen ja gar nicht um Lösungen für die Menschen, sie brauchen die Probleme, um weiter ihre Hass- und Spaltungsklaviatur bespielen zu können. Sie nehmen sich Viktor Orbans Ungarn zum Vorbild und dort sieht man ja, wohin dieser Kurs führt: Keine Medienfreiheit, Einschränkung der Meinungsfreiheit, junge Menschen wandern wegen Perspektivlosigkeit ab und das sind nur einige wenige Beispiele. Wollen wir das für Österreich und Europa? Ich glaube nicht.
Tom: Die sind nicht da, um gemeinsam an guten Gesetzen zu arbeiten. Rechtsextreme wollen Europa zerstören: Von der Zerstörung des Green Deals, dem Zurückdrehen von Rechten von Frauen und der LGBTIQ+-Community bis zum ÖXIT. Dagegen werden wir weiter im EU-Parlament ankämpfen. Aber die Bedrohung kommt auch von der Europäischen Volkspartei: Die aktuellen Versuche den Green Deal zu sabotieren kommt stark von der EVP und damit auch der ÖVP. Sie machen nicht mal halt vor den wenigen grünen Biodiversitätsvorschriften in der EU-Landwirtschaftspolitik. Dabei haben die Bauernproteste in ganz Europa gezeigt, dass es eine Agrarwende braucht. Eine starke Förderung der kleinstrukturierten, ökologischen Landwirtschaft, die mit dem Rücken zur Wand steht, besserer Tierschutz, Bodenschutz und die Förderung von regionaler Lebensmittelproduktion. Den Agrargroßkonzernen brauchen wir nicht mehr EU-Geld reinbuttern, aber genau das macht die EVP in Brüssel.
Gibt es etwas, was ihr unseren Leser:innen für die EU-Wahl mitgeben wollt?
Lena: Ja, ich hätte tatsächlich eine Bitte. Bitte motiviert so viele Menschen in eurem Umfeld wie möglich, dass sie zur Europawahl gehen. Es ist ein Privileg, dass wir in einem freien und demokratischen Land leben und wählen gehen können.
Tom: Die EU wirkt kompliziert und langwierig, weil 27 Mitgliedstaaten auf einen grünen Zweig kommen müssen. Wir gelernten Österreicher:innen, wissen ja, wie das ist mit unseren neun Bundesländern. Sich deshalb von ihr abzuwenden, ist der falsche Weg. Wir alle gemeinsam sind die EU und wenn wir zusammenhalten und uns gemeinsam engagieren, dann können wir so viel Positives zum Wohle aller verändern.